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Ich liebe meine Wut


Deshalb erzähle ich dir die Wahrheit über sie.


Ich danke dir, dass du deine wertvolle Zeit und Aufmerksamkeit mit mir teilst. Ich schreibe heute diesen Blogartikel und teile ihn, weil ich mir wünsche ganz viele Menschen damit zu erreichen: Frauen, wie Männer, die gerade herausgefordert sind mit ihrer eigenen Wut umzugehen oder sie hervorzuholen, bei allem, was sich auf dieser Welt und insbesondere in der Ukraine tut.


Ich schreibe diesen Blog, weil ich sehe, dass ganz viele Informationen, Wissen und Erkenntnisse, über Dinge, die auf dieser Welt geschehen, nicht mit dir geteilt werden. Bevor ich jedoch von den Frauen und Männern erzähle, die gerade mit ihrer Wut herausgefordert sind, möchte ich dir von jemandem erzählen, der für mich ein Held ist.


Letztes Jahr im Intensivseminar "Bewegt in eine wertschätzende Kommunikation" in der Ausbildung für Kunsttherapie, war Marco dabei. Marco, ungefähr 45 Jahre alt, Vater eines Jungen. In der Erzählung seiner Biografie und den Herausforderungen mit seiner Kommunikation, wenn er wütend ist, wurde rasch klar, dass ihm als Junge ein Vorbild fehlte. Ein Vater, der seine Emotionen kontrollieren konnte, sie nicht an den eigenen Kindern rausliess. Das prägte ihn. Heute selbst als Vater möchte er es anders machen. Und wünschte sich mehr Werkzeuge. Dies gelang ihm, indem er in dieser Seminarwoche zuerst seine Selbstwahrnehmung verbesserte: seine Interpretationen erkannte und mit Hilfe der Körperwahrnehmung seine Körperreaktionen bei Stress besser verstand. Um früher wahrnehmen zu können, wann bei ihm die Stresstoleranzkurve in eine Richtung geht, die zur Eskalation führt und wie er mit ganz einfachen Bewusstseinsübungen die Kurve bekommt und in Verbindung zu sich und seinem Sohn bleibt. Jedoch auch seine Bedürfnisse kennenlernt und sie auch ernst nimmt. Sprich, sie auch nach aussen kommuniziert. Um gegebenenfalls auch diese zu verhandeln. Marco strahlte nach diesem Seminar in seiner Kraft als Mann und Vater, weil er erkannt hatte, dass er es selbst in den Händen hält, seine Reaktion auf ein Gefühl zu steuern, indem er sich für neue Möglichkeiten öffnete und gut mit sich selbst im Kontakt blieb, statt auszuagieren.


Marcos Prozess begleiten zu können und seine Entwicklung in dieser Woche erlebt zu haben, war ein Geschenk, worüber ich sehr dankbar bin.

Er ist für mich ein Held. Er hatte den Mut, sich in seiner Verletzlichkeit der Gruppe zu zeigen, um weiter zu kommen, sich selber zu erkennen, sich zu akzeptieren und zu verändern. Er übernahm Verantwortung für sein Vatersein. Für mehr Frieden in seiner Familie und auch auf dieser Welt. Ich werde Marco nie vergessen.



Wie gerne hätte ich es meinem Vater gewünscht, der 2004 starb, dass er einen anderen Umgang mit seiner Wut hätte finden können. Doch gehörte in seiner Generation Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinsarbeit einfach nicht zum Standart. Das ist vielmehr etwas, das in meine Generation und zu den nachfolgenden gehört. Das ist ein Privileg, das meine Generation inne hat.


Ich darf und kann mich mit spannenden Themen, wie Bewusstseinserweiterung und Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen: Wie gesunde Autonomie gelingt, für sich und in Systemen. Wie Freiheit durch Kreativität bestärkt und Komplexitätstoleranz durch Bewusstheit ermöglicht, so wie die eigene Souveränität durch nutzbare Möglichkeiten gewahrt wird. Ich kann mir Fragen stellen, wie die eigene Wirklichkeit erschaffen wird und Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln, wie ich meine Realität bewusst erschaffen kann. Ich darf mich mit Themen wie Ganzheitlichkeit, Selbstführung und Selbstorganisation auseinandersetzen, mich mit Achtsamkeit und Meditation beschäftigen, sowie Beziehungskompetenz kultivieren.


Was, wenn mein Vater damals diese Gelegenheit auch schon gehabt hätte, als er in meinem Alter wahr?


Nichtsdestotrotz: mein Vater hat mir sehr viele wertvolle Fähigkeiten mitgegeben. Meine Neugier für neue Trends, das Reisen, Bewegung und die Natur. Diese Geschenke möchte ich auf keinen Fall missen.


Der Grund warum ich dir davon erzähle ist, dass ich viele Jahre lang glaubte, dass ich mich unbedingt persönlich weiterentwickeln müsse, weil irgendetwas mit mir nicht stimmt, weil ich viel wütend und auch ängstlich war, ich viel darüber grübelte, warum etwas nicht so ist, wie ich es gerne hätte und ich nur dann glücklicher, zufriedener, geliebter sein werde, wenn ich all diese Seminare, Kurse, Weiterbildungen gemacht habe...und dann...ja, was dann? Ich dann endlich vollkommen bin, weil ich ja all diese Kurse besucht habe. Meine Wut richtete sich somit nicht nur nach Aussen, sondern mir selbst gegenüber aus.



In den vergangenen 15 Jahren habe ich verstanden, dass ich die Antworten alle bereits in mir trage. Durch Akzeptanz meiner Gefühle und die Widersprüchlichkeiten meiner eigenen Person und des Lebens auszuhalten und ihnen mit Humor zu begegnen. Dank der Seminare, Kurse und Weiterbildungen habe ich eine grosse Bewusstseinsweite und -tiefe aufgebaut, kann innere gefühlsmässige Vorgänge und Gedanken wahrnehmen und sie anders und neu gestalten, darstellen und ausdrücken. Wie mit diesem Blog zum Beispiel. Dabei hat sich die Absicht, auch Intention, geändert. Weg vom Mangeldenken, der eigenen Unvollkommenheit hin zu Fülle und Lust auf Lernen und Entdecken wollen.


Ich erzähle dir all dies, weil ich dich ermutigen möchte, dich deiner eigenen Wut zu stellen, auch wenn du sie gerade als sehr herausfordernd empfindest - bei dir selbst oder in deinem Umfeld. Die Auseinandersetzung mit der Wut bei meinen Klientinnen und Studenten hat mich immer wieder inspiriert, weil in ihr soviel wertvolles steckt! So hoffe ich, dass du mir die Erlaubnis gibst, dir über die Wut die Wahrheit zu erzählen. Ich kann sehr gut verstehen, dass du nichts Unangenehmes und Kritisches hören möchtest. Aber, als Mentorin für Selbstermächtigung magst du hören, was ich dir mit auf den Weg geben möchte. Und ich möchte dich daran erinnern, dass ich mit der gleichen Herzkraft mich mitteile, wie ich auch zu meinen Klientinnen und Studenten spreche:


In den Seminaren in denen ich in der Vergangenheit war, war Wut oft verpönt. Wut sei nicht spirituell. Wut ist nicht weiblich. Aus meiner Lebenserfahrung und 10jähriger Erfahrung als Tanztherapeutin kann ich dir sagen, was der Gewinn ist, wenn du deine Wut jedoch lieb gewinnst:

  • Wut ist einfach, wie jedes andere Gefühl auch

  • Wut ist ein Signal, auf das wir hören dürfen

  • Wut beschützt den Kern der Ich-Integrität

  • Unter jeder Wut liegt ein unerfülltes Bedürfnis

  • Wut ist eine Energie, eine Kraft und verbunden mit deinem Herzen eine Herzkraft, die dir dabei hilft, dich mit deinem vollsten Potenzial in die Welt zu bringen (ist ein Katalysator)

  • Wut stärkt deine Souveränität

  • Wut ist verdammt kreativ und sexy

  • Wut stärkt eine gesunde Selbstbehauptung

  • Wut ermöglicht mehr Handlungsspielräume in zwischenmenschlichen Beziehungen


Was, wenn du deine Wut nicht positiv integriert lebst:

  • Durch die Unterdrückung der Wut verhinderst du die Entfaltung deiner kreativen, intellektuellen und sexuellen Energie

  • Verharrst du in alten Verhaltens- und Denkmuster und entwickelst nicht deine Gaben und Talente weiter

  • Sagst Ja, obwohl du Nein meinst

  • Erträgst weiterhin schweigend inakzeptable Situationen

  • streitest unproduktiv, machst Vorwürfe

  • ziehst dich emotional immer wieder zurück

  • Nimmst du deine natürlichen Grenzen nicht ernst

  • Gewährleistest du, dass keine Veränderung eintritt, weil du falsche Harmonie aufrechterhältst

  • Kann bis hin zu Angststörung, Burnout, Depression und medizinischen Krankheiten führen

  • Verstärkt dein Opferdasein

  • Vergleichst du dich weiterhin mit anderen, bist neidisch und eifersüchtig, statt selber in die Handlung zu kommen

  • Je "netter" du bist, desto grösser wird das Vorratslager an unbewusster Wut und Agression dir selbst und anderen gegenüber


Die meisten von uns haben wenig Lernhilfe für einen konstruktiven Umgang mit Wut und Agression erhalten. Wütende Frauen wurden Jahrhunderte lang als Furien bezeichnet, weil sie für die Gesellschaft bedrohlich sind, weil die Gesellschaft sich verändern könnte. Deshalb haben sich viele Frauen, wie auch Männer nett angepasst.


Wichtig ist mir auch noch den Unterschied zwischen nutzloser und konstruktiver Wut aufzuzeigen:


Wutgefühle signalisieren ein Problem. Aber lässt man ihr freien Lauf, löst man noch lange keine Probleme. Die "nette Frau" versucht Ärger und Auseinandersetzung um jeden Preis zu vermeiden. Die "Furie" wird mühelos wütend, lässt sich aber auf fruchtlose Auseinandersetzungen, Beschwerden und Vorwürfe ein, die zu keinem konstruktiven Ergebnis führen.


Die "nette Frau" verhält sich in Situationen, in denen Protest gerechtfertigt und angebracht wäre schweigend - sie sind dann traurig, depressiv, selbstkritisch und "verletzt". Sie verwandeln ihre Gefühle des Widerstands, der Wut und der Agression in weniger "gefährliche" Gefühle, um die Gefahr eines offenen Konflikts zu vermeiden. Die wirklichen Gefühle werden verschleiert, weil sie befürchten müssen, andernfalls beim Gegenüber Unbehagen auszulösen oder Differenzen zu enthüllen. Wenn Frau und Mann sich so verhält, setzen sie in erster Linie dafür ein, den anderen zu schützen, zu "verstehen" und die Harmonie der Beziehung zu erhalten, auf Kosten einer klaren persönlichen Abgrenzung. Die Fähigkeit, eigene Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen, nimmt immer mehr ab. Der Verlust des Ich-Selbst nimmt immer mehr zu. Je intensiver die "nette Frau" sich darum bemüht, ihre Wut zu unterdrücken, desto stärker wird die Angst vor einem Vulkanausbruch.


Die "Furie" wird in unserer Gesellschaft als "unweiblich" oder Schlimmeres abgestempelt. Die Folge sind Wut- und Ohnmachtsgefühle. Wenn sie Wut zwar entladen, aber nicht die mindeste Wirkung damit erzielen, entsteht ein negativer Kreislauf und lösen eher Ablehnung als Mitgefühl bei anderen Menschen aus. Unwillentlich liefern sie dem Gegenüber Argumente, während ihre eigenen Wünsche vielleicht gar nicht richtig klar sind und verlieren ihr Ziel aus den Augen. Wirkungsloses herumstreiten beinhaltet oft die Versteifung auf einen erfolglosen Wunsch, jemanden zu verändern, der sich nicht verändern will. Die eigenen Bemühungen werden nur noch mehr intensiviert, wenn die Versuche fehlschlagen, die Überzeugungen, Gefühle, Reaktionen oder Verhaltensweisen des anderen zu verändern. Streiten schützt das altvertraute Verhaltensmuster.


Wir alle kennen diese Formen, egal, ob wir jetzt gerade mit unserer eigenen Wut konfrontiert sind oder nicht. Und sie sind ganz einfach die beiden Seiten der gleichen Medaille, trotz unterschiedlichem Auftreten. Beide hinterlassen das Gefühl, nicht selbst über das eigene Leben bestimmen und darin etwas bewirken zu können. Das ist nicht das, was wir uns aus tiefstem Herzen wünschen! Für niemanden.


Um jetzt etwas auf dieser Welt und in unseren Beziehungen zu verändern, lass mich dich fragen: Was ist es dir wert zu opfern?


Mit deiner eigenen Sensibilität zielgerichteter in Zukunft besser umzugehen und sie in disziplinierte, geordnete Bahnen zu lenken, kannst du dir jetzt darüber im Klaren werden, was...

  • deine Wünsche

  • deine Bedürfnisse

  • deine Abneigungen

  • deine Vorlieben sind.


....was dir dein Körper über deine Gefühle zu erzählen hat. Gefühle zu spüren, angenehme oder unangenehme, machen uns lebendig. Gefühle finden im Körper statt. Die Flucht in den Kopf ist die Lösung, um sich selbst nicht zu fühlen. Dann haben wir jedoch auch wenig Zugang zu unseren Bedürfnissen. Gefühle sind die Würze des Lebens. Aber wie bei allem kann es hier ein Zuviel oder Zuwenig geben. Sie kommen und gehen. Wir können lernen, sie zu halten und mit ihnen präsent zu sein, ohne sie zu bewerten. Auch die Wut.


Ich möchte dich bitten, die Wahrheit über die Wut zu erzählen: nämlich, dass sie zu unserem Menschsein gehört und genau so spirituell ist, wie andere Gefühle auch. Wir haben es selbst in der Hand, wie wir auf unsere Gefühle reagieren wollen.


Und: Was bist DU bereit, noch heute für deine Selbstbestimmtheit und Selbstwirksamkeit zu tun oder sein zu lassen?

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