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AutorenbildIrina Katinka Horvath

Fürsorge für deine Gefühle

Wie steht es aktuell um deine Gefühlswelt?


Ein mysteriöser Dschungel mit scheinbar undurchdringlichem Dickicht?

Sind Gefühle für dich wie ein fremdes Land mit barbarischen Sitten und voller Gefahren, ein Land, das du tunlichst vermeidest, näher in Augenschein zu nehmen, geschweige denn zu betreten?


Als Intuitions- und Fühltyp surfte ich in diesem Dickicht schon seit meiner Jugend in diesem Dschungel herum und wünschte mir damals, eine hilfreiche Roadmap, um Gefühl, Intuition, Denken und Realität zusammenzubringen.


Von der Sekundarlehrerin zur Kunsttherapeutin Tanz- und Bewegung zur Unternehmerin habe ich wirkungsvolle Werkzeuge, Sichtweisen und Wege kennengelernt, wie insbesondere Gefühle als Schlüssel für unsere Kraft entdeckt werden können. Über 23 Jahre Selbsterfahrung, Selbsterkenntnis und persönliche Entwicklung: emotional, mental und spirituell.


Gefühle brauchen Raum um deren dahinterliegende Schätze zu bergen. Die Gesetze des Dschungels offenbaren sich auch erst denjenigen, die bereit sind, länger hinzuschauen und Zeit mitzubringen.


In meine Praxis kommen entweder Kopffrauen oder Fühlfrauen. Was der einen zuviel gegeben ist, ist der anderen zu wenig. Die gute Mischung ist auch hier das Geheimnis. Je klarer, feiner, differenzierter, intensiver wir fühlen UND denken, umso erfüllter können wir leben.


Es geht also nicht darum, mehr Freude und weniger Schmerz zu fühlen, sondern zu lernen, jedes Gefühl ganz zuzulassen, bewusst als Kraft umzusetzen und letztendlich auch zu geniessen! Ja, wirklich. Geniessen. Denn jedes Gefühl hat seine Berechtigung:


Rumi – Das Gasthaus

Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus. Jeden Morgen ein neuer Gast. Freude, Depression und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommt als unverhoffter Besucher.


Begrüße und bewirte sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist die gewaltsam Dein Haus seiner Möbel entledigt. Selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll vielleicht reinigt er Dich ja für neue Wonnen.


Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit – begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein.


Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu Deiner Führung geschickt worden aus einer anderen Welt.


Wenn du also den Sinn, Nutzen und den Platz eines jeden Gefühls erkannt hast, kann es sein ursprüngliche Funktion wieder erfüllen. Und so entlarvt sich das, wogegen all die Jahre gekämpft wurde, als Schlüssel zum eigenen Potenzial.


Das klingt schockierend? Dann lass uns das näher beleuchten!


Nehmen wir die Gefühle Freude, Trauer, Wut, Angst und Scham. Die ersteren vier Gefühle sind nach aussen gerichtet. Das fünfte, das Schamgefühl, nach innen.


Jedes dieser Gefühl befähigt uns zu bestimmten, absolut notwendigen Handlungen oder psychologischen Prozessen, deshalb werden sie auch als Kräfte bezeichnet.


Wenn wir Wut bewerten als irrational, verboten, unschön, unsittlich, unspirituell, unweiblich, führt dies zu einem Schnitt zwischen unserem rationalen Denken und dem, was unsere Leidenschaft ausmacht. Erst wenn wir unsere Gefühle physisch, sprich körperlich, erschliessen und als Kraft aneignen können, können Verstand, Gefühl und Handlung als Einheit fliessen und dadurch unserer Leidenschaft, Herzenswünsche, Ängste und Aggressionen eine bewusste Richtung geben.


Eine Kraft ist weder gut noch schlecht. Sie ist. Wie alles in der Natur. Wie sie eingesetzt wird, bestimmt in welche Richtung sie wirkt: zerstörerisch, jedoch auch als Möglichkeit für Neuanfang und neues Wachstum.


Gefühle entstehen aus der Interaktion von Gedanke und Umwelt. Gefühle spiegeln Gedanken, da sie von ihnen und durch sie ausgelöst werden. Ein Gefühl basiert auf der Interpretation, die mein Verstand von dem was er wahrgenommen hat, trifft.


Bei Freude denke ich: "Das ist richtig. Schön. Gut."

Bei Trauer denke ich: "Das ist schade."

Bei Wut denke ich: "Das ist falsch. Nicht richtig."

Bei Angst denke ich: "Das ist furchtbar."

Bei Scham denke ich: "Ich bin falsch."


Je länger wir also bei einem Gedanken verweilen, umso länger sind wir auch in diesem Gefühl drin. Ergo: wir können dies auch lenken lernen. Und dies benötigt Zeit fürs genaue Hinschauen und Raum dafür, weil die Verbindung zwischen den Interpretationen der mentalen Ebene und der dadurch ausgelösten Reaktion auf emotionaler Ebene vielen Menschen nicht bewusst ist.


Erleben wir unsere Gefühle als Kraft, dann sind wir verwurzelt mit dem, was ist und sind ausgerichtet auf das, was wir uns wünschen.


Erleben wir unsere Gefühle als schwierig, herausfordernd, als Schatten, sprich haben wir Mühe mit ihnen, dann sind wir verwurzelt in einem Absolutheitsanspruch und wir richten uns gegen das, was ist.



Jedes Gefühl hat also auch eine Schattenseite. Scham ist in ihrem Schattenausdruck selbstzerfleischend, im schlimmsten Fall selbstzerstörerisch. Alles ist schlecht, alles ist falsch an uns, nichts kann gewürdigt werden. Die eigene Unfähigkeit, den hohen (Selbst-) Anforderungen gerecht zu werden, wird als absolut falsch bewertet. Auch der hohe Anspruch der Leistungsgesellschaft lässt nicht viel Freiraum, die Gefahr von Burnout steckt da mit drin. Leistungsfähiger, vollkommener, zuverlässiger und perfekter sein, als das, was wir sind, wobei die Skala nach oben offen ist, macht die Selbstzerfleischung nicht besser.


Auch die Freude hat einen Schattenausdruck: die Illusion. Freude wird missbraucht, um eine Illusion, also etwas, das eigentlich nicht in Ordnung ist und so tun als ob, aufrechtzuerhalten: ein harmonisches Familienleben, eine unbefriedigende Arbeit, der fremdgehende Partner, erleuchtete Menschen, die über andere stehen und so weiter. Es ist nur schön, weil ich es mir so mache, indem ich so tue, als wäre es anders, als es ist. Freude wird benutzt, um all das zu überdecken und auszublenden, was in das eigene Wunschbild nicht hineinpasst, was die Illusion in Frage stellt.


Der Schattenausdruck bei der Angst ist die Lähmung. Angst ist nur dann lähmend, wenn sie gespeist ist mit der Überzeugung, dass etwas Falsches uns bedroht. Bleiben wir an diesem Gedanken haften, dann behindern wir uns selbst darin, nach neuen, schöpferischen und kreativen Ideen zu suchen.


Bei der Trauer ist der Schattenausdruck die Passivität. Trauer bekommt ihren negativen Ausdruck, wenn sie von einer Überzeugung gespeist ist, dass etwas absolut falsch ist und gar nicht so sein sollte, wie es ist. In diesem Augenblick verweigern wir uns, überhaupt mit dem, was ist, in Beziehung zu treten und verhindern unser Herz dafür zu öffnen, was uns wirklich wichtig wäre. Wir bleiben mehr in der Vergangenheit verhaftet, statt nach Wünschen und Visionen zu forschen, aktiv und bewusst das Jetzt und die Zukunft zu gestalten.


Der Schattenaspekt der Wut ist die Zerstörung. Statt die Wut als Kraft für Klarheit, Abgrenzung, der Positionierung und der Entscheidung zu sich zu nehmen, wird sie entweder tabuisiert, mit ihr blind gewütet und zerstört Beziehungen und Lebensentwürfe. Dabei ist auch hier die Wut selbst nicht zerstörerisch, sondern die Überzeugung, dass wir entweder für etwas absolut Richtiges einstehen oder dass es unsere Aufgabe ist, etwas absolut Falsches auf der Welt zu beseitigen.


In meinen Mentorings HEART EMPOWERMENT oder BEYOND LIMITS erlebe ich es oft, dass die Frauen die Schattenaspekte entweder mental oder emotional sehr wohl kennen jedoch einfach nicht wissen, wie sie damit besser, anders oder fürsorglicher umgehen, so dass diese wiederum in Kraft umgewandelt werden können.


Die eigenen Gefühle zuerst zu erkunden, kann uns helfen, nicht gleich davonzulaufen, wenn wir uns von unseren Empfindungen überfordert, verwirrt oder von der Erfahrung unseres inneren Dschungels zunächst überwältigt fühlen, sondern erstmal dableiben und genauer hinspüren. Wir können uns für ganz viele Empfindungen sensibilisieren, mit denen wir zunächst gar nichts anfangen konnten.


Nun fragst du dich bestimmt, ja und jetzt? Welche Weichen für eine Neuorientierung für mehr gelebte Gefühle kann ich jetzt stellen, wenn ich meinen Gefühlen kein Schattendasein mehr geben möchte?


Dafür gebe ich dir gerne fünf wertvolle Fragen an die Hand, die du gerne auf Gefühls- und Gedankenebene für dich beantworten darfst:

  1. Was für ein Mensch möchtest du sein?

  2. Was ist deine grösste Sehnsucht?

  3. Welches Bedürfnis möchte gerade jetzt mental, emotional, physisch, spirituell, auf Beziehungsebene erfüllt werden?

  4. Was willst du wirklich-wirklich in deinem Leben?

  5. Was möchtest du in diesem Augenblick feiern?


Was verändert sich, wenn wir im positiven Besitz unserer Gefühle sind?

Die Tatsache, dass wir mit der Kraft unserer Gefühle im Kontakt sind, verändert unser Leben. Unsere Wutkraft gleicht dann einem Schwert, das wir tragen, aber nicht einsetzen müssen. Unsere Worte haben eine andere Autorität und Klarheit, allein dadurch, dass wir dieses Schwert bei uns tragen. Wenn wir die natürliche Funktion der Gefühle erkennen, dann wird es für uns selbstverständlich mit ihnen umzugehen. Wir hören auf, uns für negative Gefühle zu schämen, denn wir wissen, sie sind genau das, was in bestimmten Situationen gebraucht wird.


Bei der Entwicklung einer emotionalen Kompetenz geht es nicht darum, das Problem zu lösen, sondern das Gefühl zu fühlen. Jedes Gefühl, jede Emotion, jeder Schmerz und jede Unausgeglichenheit sind einfach da, egal, ob du sie richtig oder falsch findest. Und du brauchst sie. Sie sind ein Teil von dir.



Der Weg ist auch hier das Ziel.


Inspirationsquelle:

Vivian Dittmar (2020): Gefühle und Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung. Edition est.


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